"Gutes Management für eine lange und glückliche Beziehung"

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"Gutes Management für eine lange und glückliche Beziehung"

Die Landesinitiative Fachkraft im Fokus im Interview mit Dr. Gudrun Stahn, Expertin für Personal- und Organisationsentwicklung aus Magdeburg.

Frau Dr. Stahn, Sie haben Mitte November 2015 den Workshop „Was macht die Braut schön?“ mit kleinen und mittelständischen Unternehmen in Magdeburg realisiert. Was ist Ihre Erfahrung, was macht einen Arbeitgeber in Sachsen-Anhalt attraktiv für potenzielle Fachkräfte? Müssen die Unternehmen im Land neue Werte einführen?

Zuerst einmal: Kultur und Werte sind keine neumodischen Gedankenblasen, sondern sie machen das täglich erlebbare Miteinander, das Klima im Unternehmen aus. Ein gutes Klima erzeugt eine Basis für den ersten guten Eindruck, der zur Gewinnung von talentierten Auszubildenden oder Fachkräften beiträgt. Mittelfristig hat es eine Identifikation mit dem Unternehmen und die Glaubwürdigkeit der Führung zur Folge. Das kostet zunächst mal nur gegenseitige Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse und eine positive Kommunikation. In klein- bis mittelständischen Unternehmen ist der Weg zum Chef oder zur Chefin kurz und das Team ist überschaubar. Das kann ein Riesenvorteil sein.

Überall liest man, dass der/die Chef*in von heute seine/ihre Angestellten an der Entwicklung des Unternehmens beteiligen sollte. Wie können KMU ihre Mitarbeiter*innen in die Entwicklung des Unternehmens besser einbinden?

Wichtig sind klar kommunizierte Entwicklungsziele des Unternehmens, verknüpft mit einer Vorstellung darüber, welche Chancen damit auch für talentierte Mitarbeiter*innen verbunden sind. Wenn Mitarbeiter*innen erkennen können, dass sich ihre persönlich angestrebte Perspektive und ihr Lebensmodell mit der Entwicklung dieses klein- oder mittelständischen Unternehmens verbinden lassen, erzeugt das Sinnerleben und Engagement. Gerade in KMU sind die Zusammenhänge zwischen Mitarbeiter*innen und Prozessen besser überschaubar, die Aufgaben oft anspruchsvoller und komplexer. Wenn dann auch die Kommunikation über Ziele und die Rückmeldung zu persönlichen Beiträgen der Mitarbeiter*innen zur Zielerreichung in kurzen Abständen erfolgen und Angebote zur Mitarbeiterentwicklung unterbreitet werden, stellen sich Nähe und Verbindlichkeit her.

Nun könnte man behaupten, jetzt machen alle das Gleiche, wie soll ich als kleiner Betrieb da heraus stechen. Haben Sie Tipps?

Alleinstellungsmerkmale des Unternehmens können in den unterschiedlichsten Bereichen liegen, beispielsweise in Produkt- oder Serviceeigenschaften in Bezug auf die Kunden. Das macht Mitarbeiter*innen stolz auf die Leistungen ihres Unternehmens. Alleinstellungsmerkmale können aber auch in Bezug auf die Mitarbeiterführung bestehen: Wir organisieren anders als Andere die Möglichkeit zum Aufbau von Plus- und Minus-Arbeitszeitkonten, wir ermöglichen zum Wiedereinstieg nach der Elternschaft oder nach längerer Krankheit individuell abgestimmte Zeitmodelle, wir sponsern soziale Anliegen oder kulturelle Events in unserer Kommune, wir bauen gemeinsam mit anderen Unternehmen in unserer ländlichen Region einen Betriebskindergarten mit längeren Öffnungszeiten auf und so weiter.

Was können kleine und mittlere Unternehmen ohne großes Budget tun, um als attraktiver Arbeitgeber in ihrer Region wahrgenommen zu werden?

Viele Möglichkeiten bestehen im Bereich der Organisation von Zusammenarbeit und in der Art der Beziehungsgestaltung. Beides muss kein Geld kosten und begeistert zunächst die Mitarbeiter*innen, die schon an Bord sind. Investiert werden sollte in eine gute Außenkommunikation in den eben schon benannten Elementen: Arbeitsklima, Entwicklungsangebote sowie Alleinstellungsmerkmale des Unternehmens. Aber Achtung: Mogelpackungen fallen schnell auf. Daher besser nur solche Unternehmens- und Stellenmerkmale nach außen kommunizieren, die auf Tatsachen beruhen. Diese Außenkommunikation kann über die unterschiedlichsten Medien erfolgen – aber am wirksamsten erfolgt sie nachweislich über die Menschen, die bereits im Unternehmen beschäftigt sind und die laut vernehmbar äußern: Ich finde mein Unternehmen toll!

Als Geschäftsführer oder Führungskraft sollte man über die aktuellen Entwicklungen im Personalmarketing informiert sein. Welche Unterschiede gibt es zu früher? In welcher Form haben sich die Ansprüche der Fachkräfte verändert?

Die großen Trends wie Globalisierung, Beschleunigung und Komplexität, technologische Entwicklung, Generationenerwartungen und Demografie zeigen Wirkung. Der Arbeitsmarkt wird durch eine neue Generation der zwischen 20- und 30-jährigen bereichert, die mit anderen Wertvorstellungen in die Unternehmen kommen, als wir es noch vor 20 bis 30 Jahren getan haben. Wir erfahrenen Führungskräfte müssen evtl. zweimal hinschauen, um die besonderen Leistungsmerkmale und Vorzüge der jungen Leute zu erkennen und zu schätzen, und wir müssen unser Kommunikations- und Führungsverhalten sowie die Gestaltung der Zusammenarbeit darauf einstellen. Talentierte junge Bewerber*innen erwarten herausfordernde Aufgaben, eine faire Vergütung, ein kollegiales Arbeitsumfeld, Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die jungen Mitarbeiter*innen trennen sich heute tendenziell schneller und selbstbewusster von einer Firma als es früher der Fall war, wenn sie ihre Lebens- und Entwicklungsziele mit den Möglichkeiten in diesem Unternehmen nicht im Übereinklang finden. Die Welt ist in vielerlei Hinsicht offener geworden.

Wie würden Sie abschließend das Thema Arbeitgeberattraktivität in einem Satz beschreiben?

Es geht um gutes Management; und gutes Management ist die Basis dafür, dass nicht nur eine kurzfristige Attraktivität der Braut besteht, sondern dem begeisterten Kennenlernen eine lange glückliche Beziehung folgt.


Dr. Gudrun Stahn ist Geschäftsführende Gesellschafterin bei der Mensch, Arbeit & Technik Organisationsentwicklung GmbH in Magdeburg. Seit 1998 ist sie im Team und berät u.a. als systemischer Coach zu Themen der Personal- und Organisationsentwicklung.